Jeff Wall, Summer Afternoon’s diptych, 2013, Detail

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Jeff Wall, Search of Premises, 2009 Lightjet print, 192,3 x 263 cm

Angeregt von Reality-TV-Sendungen inszenierte Jeff Wall in ‚Search of Premises‘ ein beispielhaftes Bild einer Hausdurchsuchung. Mehrere Polizisten sind an einem Tatort intensiv mit der Suche nach Indizien und Beweismitteln beschäftigt. Um diese Fotografie zu realisieren, versteckte Jeff Wall zuvor ein fiktives Beweismittel in einer hergerichteten Wohnung und filmte dann die Polizisten bei der Suche. Aus den Filmaufnahmen wählte Wall eine Szene aus, die die Polizisten schließlich für die Fotoaufnahme nochmal nachstellten. Der Künstler erläuterte in einem Interview: „Nichts auf meinem Foto ist erfunden, alle Details sind nachgeahmt. Man sieht eine Wohnung, in der niemand wirklich zu wohnen scheint. Die Wohnung ist einem der echten Polizeifotos nachgeahmt. Ich zeige nicht das Drama der Festnahme. Von dem Verdächtigen sind nur weiße Basketballschuhe, ein Gürtel, Socken, Hose und eine Mütze übriggeblieben.“

Jeff Wall erläuterte, das Ende der Geschichte interessiere ihn nicht, das „Vorher und Nachher“ sei „das Reich des Betrachters“: Während sich der Betrachter das Bild ansieht, denkt er sich seine eigene Geschichte aus.

Jeff Wall, A View from an Apartment, 2004-05, transparency on lightbox, 1670 x 2440 mm © Jeff Wall, by permission of the artist, special thanks to Sandy Heller, The Heller Group, LLC (Tate)

Jeff Wall, A View from an Apartment, 2004-05, transparency on lightbox, 1670 x 2440 mm © Jeff Wall, by permission of the artist, special thanks to Sandy Heller, The Heller Group, LLC (Tate).

Viele seiner Fotografien präsentiert Jeff Wall in großformatigen und hell erleuchteten Dia-Leuchtkästen. Seine Fotografien erreichen damit die Größe von Reklametafeln, Kinoleinwänden und Historiengemälden des 19. Jahrhunderts.

Jeff Wall arbeitete fast zwei Jahre an ‘A View from an Apartment’. Er mietete eine leerstehende Wohnung mit einem außergewöhnlichen Fensterausblick über den belebten Hafen der Stadt Vancouver. Eine junge Frau zog auf Kosten des Künstlers in die Wohnung und richtete sich ein. Als sich die Frau nach drei Monaten eingelebt hatte, begann sie, ihre zu Gewohnheiten gewordenen Bewegungen mit der Kamera zu dokumentieren. Wall filterte aus den entstandenen Filmbildern den charakteristischsten Moment heraus und ließ ihn von den beiden jungen Frauen nachstellen. Aufgrund des aufwendigen Entstehungsprozesses versteht Wall seine Bilder als „kinematografische Fotografien“. Einer Filmproduktion ähnlich, übernimmt Wall die Rolle eines Regisseurs, indem er Schauspieler, Drehorte, Setting, Requisiten, Kostüme und Beleuchtung sorgfältig auswählt. Im Unterschied zum Film reiht Wall die Sequenzen jedoch nicht aneinander, sondern bestimmt ein einziges, aussagekräftiges Bild, das er ins Riesenformat setzt.

Jeff Wall, Summer Afternoon’s diptych, 2013

Summer Afternoon’s, ist ein großformatiges fotografisches Diptychon, das, was Wall als ‘fast dokumentarisch’ charakterisiert. In diesem Fall ist der Schauplatz die Wohnung des Künstlers Mitte der 1970er Jahre in London, die Motive sind ein männlicher Akt auf dem linken Foto und ein weiblicher Akt auf dem rechten Foto.

Die Sommernachmittage 2013 sind nur einer dieser Momente, an die sich Jeff Wall vor Jahrzehnte erinnert fühlt, die er als fotografisches Neuland betrachtete, das es zu erforschen gilt. Die Format, ein Diptychon, zwei leicht unterschiedliche Bilder in der Größe, ist einzigartig in Walls Œuvre. Die Ausrichtung an den Oberseiten der Türrahmen und dem stark ausgerichtetem Licht auf der rechten Seite in beiden Bilder, scheinen eine Perspektive zu vermitteln, die einem denken lassen, dass dieses Paar ein Panorama bildet. Aber nein, jedes ist eine Szene im gleichen gelben Raum, eine Wohnung, gebadet in Tageslicht, beobachtet in zwei Momenten. Grenzen diese Momente zeitlich aneinander? Durch eine Minute voneinander getrennt. Oder durch einen Monat?

In einem ist das Tagesbett leer, die Kissen sind geordnet. Im anderen ist die Badezimmertür angelehnt. Die angrenzenden Szenen und ihre Figuren sind physisch getrennt. Offenbaren sie einen Moment oder etwas Intimeres? Beide Die Figuren scheinen in Gedanken versunken, selbstverliebt, vergesslich, wenn wir an intensive, private Momente denken. Können wir davon ausgehen, dass sie ein Paar sind? An was denkt man bei ihren Posen; die Frau erinnert an Goya’s La Maja Desnuda, nur ihr Blick ist nicht dem Betrachter zugewendet. Der Mann könnte in einem umgekehrten Winkel Lucian Freud’s ‘Nackter Mann mit Ratte’ sein.

Francisco de Goya: ‘La maja desnuda’, 1795 – 1800, Öl auf Leinwand, 97 × 190 cm, Prado, Madrid

Lucian Freud: ‘Naked Man with Rat’, 1977, oil, canvas, Art Gallery of Western Australia, Perth, Australia

to be continued………