Gustav Klimt: Der Kuss – Liebespaar, 1908/09, Öl auf Leinwand, 180 × 180 cm, Österreichische Galerie Belvedere, Wien

Ein Jahr lang, von 1907 bis 1908, malte Gustav Klimt am „Kuss“. Das Bild zeigt ihn selbst und seine Gefährtin Emilie Flöge, mit der er etliche Jahre am Attersee im Salzkammergut gelebt hat, eng umschlungen. Gustav Klimt ist sicherlich der bemerkenswerteste Wiener Künstler des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Sein zutiefst persönlicher Stil, der in seinen Frauendarstellungen dekorative Ornamente und Muster mit einer mysteriösen Erotik kombiniert, beeinflußte den Jugendstil ebenso wie die moderne Kunst insgesamt.

Die Gegenüberstellung von plastischer Körperhaftigkeit und linear-dekorativen Elementen in seinem Gemälde “Kuss” ist typisch für Klimts Werke aus den Jahren 1900 bis 1910. Die Schönheit der Frau und die Kraft des Mannes – seit der Antike ein klassischer Gegensatz – spiegelt sich auch in der Ornamentierung: Der Umhang des Mannes ist mit rechteckigen, strengen Formen verziert, das Kleid der Frau mit weichen fließenden Blütenmotiven. Als symbolisch aufgewertetes Motiv war der Kuss ein typisches Bildthema von Symbolismus und Jugendstil in der Zeit nach 1900, in der vor allem Sexualität, Liebe und Tod die Künstler beschäftigten.

Goldene Periode

1894 erhielt Klimt den Auftrag, drei große Deckenbilder für die Universität Wien zu entwerfen. Mit seinen drei monumentalen Deckengemälden „Philosophie“, „Medizin“ und „Jurisprudenz“ für die Wiener Universität hat er einen Kunstskandal ausgelöst: Seine flächige ornamentale Abstraktion (die heute als wesentlicher Impuls für die Moderne gilt) und die Freizügigkeit seiner Darstellung stießen auf völliges Unverständnis.

So führten seine 1901 bis 1903 entstandenen Deckenbilder für das Universitätsgebäude in Wien zu öffentlichen Protesten und kosteten Klimt die schon sicher geglaubte Professur. Die symbolischen Darstellungen von Jura und Philosophie galten als unpassend, die Darstellung einer nackten Schwangeren zum Thema Medizin wurde als obszön beschimpft.

Klimt zeigte in seinen Entwürfen zu viel nackte Haut. Nacktheit war bei Klimt nicht mehr stilisiert, wie bis dahin üblich. Seine Bilder waren authentisch. Der Kunsthistoriker Alfred Weidinger sagt: „Er hat den Wienern vorgeführt, wie sie selbst aussehen, das war das Problem.“

Die Jahre 1906–1909 gelten durch Klimts üppigen Gebrauch von mysteriös und materiell bedeutend wirkendem (Blatt-)Gold als „Goldene Periode“. Viele seiner berühmtesten Werke wie etwa „Der Kuss“ sind in dieser Zeit entstanden.

Eine enge Freundschaft verband Klimt in dieser Zeit mit den Gründern der Wiener Werkstätte Kolo Moser und Josef Hoffmann, für dessen Brüsseler Gesamtkunstwerk, das Palais Stoclet, er einen Fries im Speisesaal schuf. Auch Egon Schiele, der ihm wesentliche Inspirationen verdankte, war ihm freundschaftlich verbunden.

Gustav Klimt, Fakultätsbilder

Die Fakultätsbilder von Gustav Klimt im Festsaal der Universität Wien, 1894–1903, Linke Seite: Theologie, Jurisprudenz, rechte Seite: Medizin, Philosophie, Mitte: Der Sieg des Lichts über die Finsternis.

Die Decke des großen Festsaales im Hauptgebäude der Universität Wien schmücken heute unter anderem drei große Gemälde des berühmten Jugendstilmalers Gustav Klimt. Doch dabei handelt es sich um Reproduktionen, denn als Klimt seine Bilder um die Jahrhundertwende der Universität Wien präsentierte, kam es zu massiver öffentlicher Kritik, die zu einem der größten Kunstskandale des 20. Jahrhunderts führte.

Gustav Klimt, Deckenbild der Universität, Wien

Gustav Klimt: Die Philosophie (Fakultätsbild), 1900, Universität, Wien. (Archiv der Universität Wien, Archiv der Universität Wien, BildarchivUrheberIn: Foto: Franz Pflügl).

Das Gemälde von Gustav Klimt (erstmals ausgestellt in der Wiener Secession im Jahr 1900) ist eines von vier “Fakultätsbildern”, die zur Ausschmückung der Decke des Großen Festsaales von der Universität Wien in Auftrag gegeben wurden. Nach massiver öffentlicher Kritik an Klimts Darstellungsweise kaufte der Künstler die Bilder zurück, die bis zu ihrer Zerstörung 1945 in Privatbesitz verblieben.

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Gustav Klimt: “Beethovenfries, Künste, Paradieschor, Umarmung”.

Der Beethovenfries, ein für eine Ausstellung in der Wiener Secession 1902 gemalter monumentaler Bilderzyklus von Gustav Klimt, befand sich ab 1915 im Besitz des Sammlerehepaares August und Szerena Lederer, das 1938 von den Nationalsozialisten enteignet wurde. Deren Erbe Erich Lederer war der Beethoven- fries nach Kriegsende zwar zurückgegeben worden, eine Ausfuhrgenehmigung erhielt er allerdings nicht. Und das jahrzehntelang: 1972 verkaufte er den Fries schlussendlich für bescheidene 15 Millionen Schilling an den österreichischen Staat. Selbst viele Jahre später, 2015, nach Inkrafttreten des sogenannten »Kunstrückgabegesetzes«, wurde der Zusammenhang zwischen Ausfuhrverbot und Verkauf bewusst ignoriert. Der Fries ging nicht an die Erben nach Erich Lederer zurück.

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Gustav Klimt-Beethovenfries, Die feindlichen Gewalten (Detail)

„Der Beethovenfries wird zusammenfassend von drei wesentlichen Neuerungen geprägt: von der monumentalen, flächenhaften Isolierung der menschlichen Gestalt, von der inhaltsbetonenden Funktion der Linie sowie von der dominierenden Rolle der Ornamentik. Die Teilnahme am „Experiment Beethoven“ bildete für Klimt den Auftakt zu den Hauptwerken seiner „Goldenen Periode“. Heute gilt die monumentale Allegorie als Schlüsselwerk in der Entwicklung des Künstlers.“(Marian Bisanz-Prakken, Der Beethovenfries von Gustav Klimt und die Wiener Secession. In: Gustav Klimt – Beethovenfries, Secession 2002).

Gustav Klimr, Der Beethovenfries, detail

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Beethoven Fries – Freude schöner Götterfunken (Diesen Kuss der ganzen Welt)

Auch Klimts »Beethovenfries« wurde mit Unverständnis aufgenommen, einige Kritiker bezeichneten ihn als gemalte Pornografie. Für die Ausstellung der Sezession 1902 war ein Gesamtkunstwerk mit dem Gebäude Josef Olbrichs, der Beethovenstatue Max Klingers und Klimts Fries zu Beethovens Neunter Symphonie geschaffen worden. Schon hier findet sich in der Schlussszene das Motiv des sich umarmenden Paares und noch einmal begegnet man ihm im Palais Stoclet in Brüssel, einem Gebäude des Sezessionisten Josef Hoffman, das Klimt von 1905 bis 1909 ausschmückte.

Gustav Klimt, Stoclet Fries im Speisezimmer des Palais Stoclet 1905

Gustav Klimt, Stoclet Fries im Speisezimmer des Palais Stoclet, 1905

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Gustav Klimt: Judith I, 1901. Öl auf Leinwand mit Goldauflage. 84 x 42 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere (
Gustav Klimt: Judith I, 1901. Öl auf Leinwand mit Goldauflage. 84 x 42 cm. Wien, Österreichische Galerie Belvedere

Zur Zeit seiner Entstehung im Jahr 1901 wurde Klimts BildJudith I, 1901 als Inkarnation der Femme fatale betrachtet. Im Alten Testament war Judith die devote Witwe, die mit ihrer Schönheit die Aufmerksamkeit des assyrischen Führers auf sich zog, der für ihr Volk eine tödliche Gefahr darstellte. An einem Mahl zu ihren Ehren trank er so viel Wein, dass er einschlief, bevor er sie berühren konnte. Im Schlaf tötete Judith ihn mit seinem eigenen Schwert und entkam mit Hilfe einer Magd. Damit half sie den Israeliten, die Assyrer zu besiegen, die ohne ihren Anführer verloren waren. In der christlichen Tradition war Judith die Allegorie für den Sieg der Keuschheit über das Laster, der Demut über den Grossmut. Mit dem Beginn der Reformation und später der Gegenreformation wurde Judith zum Symbol der Freiheit, der Gerechtigkeit und des rechten Glaubens. Im Jahr 1840 interpretierte der Friedrich Hebbel den Mythos neu: Judith war noch immer eine Witwe, aber nun eine Jungfrau, da ihr Mann impotent gewesen war. Sexuell frustriert, habe sie sich vom Assyrer Holofernes angezogen gefühlt und ihn in persönlicher Rache getötet.

Sigmund Freuds Interpretation aus dem Jahr 1917 lag auf der Linie von Hebbel: Judith tötete den Assyrer, weil er ihr die Jungfräulichkeit genommen hatte. Ihm den Kopf abzuschlagen war gemäss Freud ein Symbol für die Kastration von Holofernes. Gemäss Daniela Hammer, aus deren Katalogbeitrag diese Informationen stammen, fällt Klimts Portrait in die gleiche Kategorie: Judith ist eine starke und unabhängige Frau, die sich der männlichen Dominanz entgegen stellt. Die Femme fatale symbolisiert eine “ewige Wahrheit”. Obwohl Klimt auf den Rahmen des Gemäldes “Judith und Holofernes” schrieb, wurde 1905 bei seiner Ausstellung in Berlin das Portrait als Repräsentation von Salome angesehen. Die Fusion von so gegensätzlichen Frauenfiguren wie Judith und Salome hat eine lange Tradition in der Kunstgeschichte und reicht ins 16. Jahrhundert zurück. Salome war für die Ermordung des heiligen Johannes verantwortlich.

Für die Künstler der Jahrhundertwende war Salome und nicht Judith die Inbegriff der Femme fatale. Gustave Moreaus Salomebilder inspirierten Oscar Wilde zu seiner dramatischen Ballade aus dem Jahr 1893. Die dazugehörigen Illustrationen Beardsleys inspirierten ihrerseits Klimt, bei dem sich die Bilder der ungleichen Schwestern vollkommen überlagern. Judiths “subversive Ambivalenz” aus der Renaissance wird bei Klimt weitgehend durch eine sensuelle und erotische Optik abgelöst: Judith ist eine Ikone der Weiblichkeit. Doch unabhängig von der Interpretation, welcher der Betrachter den Vorzug gibt, bleibt eine Tatsache bestehen:Judith Iaus dem Jahr 1901 ist nicht nur eines von Klimts besten Gemälden, sondern eines der herausragenden Frauenportraits der Kunstgeschichte.

Literatur: Katalog von Tobias G. Natter und Gerbert Frodl, Hg.:Klimt und die Frauen. Hardcover, DuMont, Köln, 2000, 256 S. Österreichische Galerie Belvedere Wien bis am 7. Januar 2001. Catalogue, English edition:Klimt’s Women.

Klicken Sie hier in die Fortsetzung unserer Ausstellungen zu Gustav Klimt:

GUSTAV KLIMT – Frauenportraits

“GUSTAV KLIMT – EROTISCHE ZEICHNUNGEN I und II”

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