Bill Viola:”The Reflecting Pool”, 1979

In den letzten 25 Jahren hat Bill Viola (geb. 1951 in New York, USA, lebt und arbeitet in Long Beach, California) mehr als 125 Videoarbeiten geschaffen und ist mit mehreren spektakulären Arbeiten auch in Deutschland zu sehen gewesen: Im Jahr 2003 zeigt er im Oberhausener Gasometer die Video-Installation “Five Angels for the Millenium”, 2002 im Berliner Guggenheim-Museum die Arbeit “Going Forth by Day”, 1992 in der Frankfurter Dominikanerkirche das “Nantes Triptych”.

Sein Video “The Reflecting Pool” ist eine Wahrnehmungsschulung, eine Herausforderung an die Sinne, weil es zur Reflexion dessen zwingt, was wir sehen, was wir zu sehen glauben, welche (Medien-) Erfahrungen wir machen und wie wir sie deuten.

Die Grundkonstellation des Videos ist einfach und in ihrem parabelartigen Aufbau schnell beschrieben. Der Betrachter blickt auf einen Swimmingpool, ein Wasser-Bassin in einem kleinen, leicht verwilderten Waldstück, das seine genaue Lokalität nicht verrät. Es könnte überall und nirgends sein. Das Wasser des Pools hat nicht die klinisch-reine hellblaue Farbe heutiger Swimmingpools, sondern ist eher dunkel wie in einem normalen Teich in einem Wald. Man hört im Hintergrund das Surren der aufgestellten Kamera sowie diffuse, nicht genau zu identifizierende Geräusche. Die Kamera blickt starr auf den Pool und das dahinter liegende Waldstück, wie eine Webcam aus dem Internet notiert sie scheinbar objektiv das Geschehen vor der Linse. Das Wasser plätschert vor sich hin, spiegelt vor allem den umgebenden Wald. Dann bewegt sich im Hintergrund schemenhaft eine männliche Gestalt durch den Wald auf den leicht von der Sonne beschienenen Teich zu. Sie gerät kurz aus dem Blick des Betrachters, klettert dann auf den Rand des Teiches und stellt sich vor Kopf auf. Ihre Silhouette spiegelt sich im weiterhin leicht bewegten Wasser. Im Hintergrund hört man Geräusche eines vorbeifliegenden Flugzeugs, offensichtlich ereignet sich das Geschehen nicht fernab jeglicher Zivilisation. Der sommerlich bekleidete Mann verharrt fast eine Minute in aufrechter Pose vor dem Beckenrand.

Dann federt er kurz nach unten und springt mit einem lauten Ton und angezogenen Beinen in die Höhe, um von dort – wie Augen und Verstand zunächst meinen – ins Becken zu fallen. Statt dessen gefriert die Figur in der oberen Hälfte des Bildes, der Mann erstarrt in gekrümmter Haltung auf dem Zenit der Sprungkurve mitten in der Luft, während das Wasser des Pools geradezu widernatürlich weiter leicht bewegt vor sich hin plätschert. Das verwirrte Auge sucht den Widerschein des Körpers im Wasser, aber “The Reflecting Pool” spiegelt nur die umgebende Natur. Man braucht Zeit, um sich an die paradoxe Situation des zeitlich gespaltenen Bildes zu gewöhnen. Von einem malerischen Stillleben, mit dem es verglichen wurde, trennt das Videobild die Unnatürlichkeit der gezeigten Situation. Unwillkürlich wird der Betrachter vom Geschehen weg auf die “Machart” verwiesen. Wieso erfüllen weder Pool noch Videobild ihre Spiegelfunktion? Was ist echt, was ist konstruiert und wie ist es konstruiert? Mit anderen Worten, was nehme ich eigentlich wahr, das heißt in dieser Situation: für wahr an?

Der Betrachter sieht die Sonne über das Wasser wandern, während sich der darüber verharrende Körper in leichter Diffusion zu befinden scheint. Nach und nach kommt das Wasser zur Ruhe. Die Konzentration des Betrachters ist nun auf einem Höhepunkt, weil er sich ja bewusst ist, dass er verschiedene Bildebenen – den erstarrten Körper, den Pool, den Beckenrand, den Wald – zeitgleich mit den Augen verfolgen muss. Plötzlich fällt ein Tropfen von der Figur ins Wasser und zieht dort ihre Kreise, es verbinden sich also zwei gerade mühsam im Kopf getrennte Bildebenen wieder miteinander. Gleichzeitig löst sich die erstarrte Figur zunehmend auf, sie wird auf einen hellen Widerschein reduziert, wird zum Fleck auf dem Videobild. Nach und nach fallen weitere Tropfen ins Becken und ziehen ihre Kreise, während sich die Figur wie bei einem Fadingeffekt weiter auflöst. Kurz vor dem gänzlichen Verschwinden der Figur (es sind nun etwa vier Minuten des Videos abgelaufen) spiegelt sich im Wasser eine sonst nicht sichtbare Figur vom Beckenrand, es ist wie ein verspäteter Spiegelreflex auf die Anfangssituation, so als ob der Teich ein Bild nachtragen müsste. Dieser Bildreflex bewegt sich am Beckenrand entlang, während die gekrümmte Figur über dem Wasser sich endgültig auflöst. Nun sind zwei Figuren als schemenhafte Reflexe im Wasser zu erkennen, werden aber von diesem aufgesogen (wobei Viola hier offensichtlich das Video rückwärts laufen lässt). Für den Betrachter ergibt sich eine Art umgekehrter Peter-Schlemihl-Effekt: nicht mehr einen Menschen ohne Schatten, sondern Schatten ohne Menschen nimmt er wahr.

Bill Viola, The Reflecting Pool 1

Plötzlich verdunkelt sich das Wasser im Pool dramatisch, es ist nun nahezu schwarz, während sich in ihm eine helle Lichtgestalt spiegelt. Das ganze wirkt fast wie eine Epiphanie im antiken Sinne, die Verdunkelung lässt die helle Spiegelung der Figur umso auffallender hervortreten. Das schwarze Wasser ist weiter bewegt, die Erscheinung der Gestalt durch die Wellen gebrochen. Nach kurzer Zeit wandert auch dieser epiphane Spiegelreflex am Beckenrand aus dem Bild heraus, während sich das Wasser rasch aufhellt. Es ist nun tatsächlich wieder die dem konventionellen Blick vertraute hellgrüne Spiegelung des umgebenden Waldes. “Normalität” ist wieder eingekehrt. Wiederum unerwartet entsteigt dann aber dem Wasser plötzlich eine nackte Männergestalt und richtet sich am Beckenrand auf.

Es ist, als ob der Sprung ins Wasser, den wir am Anfang des Videos zu sehen meinten, faktisch doch vollzogen wurde und der Untergetauchte nun nach dem Bad das Becken verlässt. Dann wären die Zwischenszenen eher Traumsequenzen gewesen. Aber auch die dem Wasser entstiegene Figur löst sich wiederum auf, um nur wenige Momente später im Wald neu zu erscheinen und dann endgültig über einen Waldweg den Bildraum zu verlassen.

Was sich in der Beschreibung zunächst vielleicht ziemlich rätselhaft anhört, entfaltet doch seine unmittelbare Faszination: “Man wird hineingezogen in dieses Spiel von Spiegelungen und Reflexionen, Anwesenheit und Abwesenheit, Körperbildern und Phantomen – und soll in eine poetische Verzauberung und eine magische Vertauschung des Imaginären und Realen hineingeraten” (Hartmut Böhme*). Vor allem aber fordert das Video den Zuschauer zur Reflexion des Gesehenen und zu dessen Deutung heraus. Alle Spuren deuten darauf hin, dass hier von metaphorischen Bild-Aussagen Gebrauch gemacht wird. Was spiegelt der Pool? Offensichtlich ist es keine noch so gebrochene Widerspiegelung von Realität. Der Teich führt ein (visuelles) Eigenleben. Er zeigt Dinge, die wir in der Realität nicht sehen und verweigert Einblicke, die wir erwarten. Er verändert die Menschen, die in ihn eintauchen und auch die, die ihn betrachten.

*Hartmut Böhme: Bill Viola – ein Klassiker der Videokunst. In: NZZ, 13./14.03.1999, S. 81

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Bill Viola: „Ocean without Shore“, 2007

Es verwundert nicht, wenn Violas Werke in Kirchen gezeigt werden, wie 2007 auf der Biennale in Venedig. “Ocean without Shore”, (Ozean ohne Ufer) war auf drei großen Bildschirmen zu sehen, aufgestellt auf drei Altären. Der Betrachter sieht Menschen, die durch einen Vorhang oder eine Wand aus Wasser schreiten. Hinter dem Wasservorhang sind die Figuren in schwarz-weiß zu sehen, undeutlich durch das Wasser. Das ändert sich, wenn sie voranschreiten und durch das Wasser treten – das Bild wird zunehmend farbiger und klarer.

„Altäre sind ein Ort, an dem die Toten mit den Lebenden kommunizieren“, sagt Viola über seine Arbeit in Venedig. „Die Leute kommen wie durch einen Vorhang aus Wasser, wie bei einer Wiedergeburt.“ Nicht alle Menschen auf den Bildschirmen gehen durch den Wasservorhang, ein Mann nähert sich, dreht aber vor dem Vorhang wieder ab – er bleibt schwarz-weiß zu sehen, wie er sich umdreht und zurückgeht……

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Alex Prager: “Despair”, 2010

Alex Prager, junge Fotografin aus Los Angeles, hier mit ihrem Video “Despair” von 2010, wurde im Herbst letzten Jahres zur “New Photography 2010” ins MOMA, New York, eingeladen. Eine ganz beosndere Auszeichnung, da dies nur noch drei weiteren jungen Fotografen gelungen ist. Prager produziert nicht nur aufregende Fotos sondern ebenso aufregende Videos.

Die Farben ihrer Bilder leuchten intensiv, fast schon aufdringlich. Ihre Aufnahmen gleichen Screenshots alter Filme aus den Siebzigern. Mit ihrer Ausstellung „Week-End“ z.B. zeigt Alex Prager einmal mehr „eine Welt, die existiert und die es gleichzeitig aber auch nicht gibt“.

Die Fotografin glaubt fest daran, dass in jeder Frau eine Schauspielerin steckt. Verknüpfungen zu ihrer cineastischen Bildsprache und der kalifornischen Herkunft scheinen da eindeutig. Die Protagonistinnen der 18 neuen Exponate verkörpern in ihren Perücken und Polyesterblusen lebendigen Retro und schaffen dennoch die Balance: der kitschige erste Eindruck wandelt sich schnell in Interesse und Faszination.

Die fiktiven Momentaufnahmen eines Wochenendes nehmen uns mit auf eine emotionale Reise durch Entfremdung, Lust, Angst, Gleichgültigkeit und uneindeutig verrückte Aktionen. Die Fotografien sind weit mehr als zu bunte Schnappschüsse – jedes Gesicht, jede Mimik erzählt einen Teil der Geschichte.

Alex Prager wurde 1979 in Los Angeles geboren und begann sich schon in früher Jugend mit einer Kamera zu beschäftigen. Sie absolvierte nie eine fotografische Ausbildung, doch bereiste die USA und Europa und zehrte von vielen Eindrücken und ihrem Kunstinteresse. Eine Ausstellung des Wegbereiters der künstlerischen Farbfotografie, William Eggleston, gab ihr dann den entscheidenden Impuls zu ihrer heutigen Arbeit.

Seitdem war sie in über 20 Ausstellungen in New York, Los Angeles, Miami und London eingebunden, publizierte in Magazinen wie i-D, Tank und Elle Japan. Nach ihren vorangegangenen Serien „Polyester“ und „Big Valley“ kommentiert sie mit „Week-End“ nun erneut die skurrile Auffassung von Perfektion in ihrer Heimatstadt.

Alex Prager:”Sunday”, 2012

Alex Prager: La petite Mort, 2013

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Shirin Neshat: “Turbulent” (1998)

Das Video “Turbulent” (1998) gehörte auf der Biennale in Venedig 2001 zu den auffälligsten (und ausgezeichneten) Beiträgen. Dieser Film ist zusammen mit “Rapture” (1999) und “Fervor” (2000) Teil einer Trilogie von Shirin Neshat. Die Frauen sind darin immer im traditionellen Tschador vermummt. Sie proben leise Rebellionen.

“Turbulent” stellt dem Gesang eines Mannes vor begeistertem Publikum die einsame Vorstellung einer Frau gegenüber; “Rapture” kombiniert religiöse und choreographische Elemente, um die getrennten Welten von Männern und Frauen aufeinandertreffen zu lassen. Während die Männer in einer Burg rituelle Handlungen ausführen, versammeln sich die Frauen vor den Mauern in der Wüste. Ihren Ausschluß aus der Burg beantworten sie zum Schluß mit ihrem ungeordneten Gang zum Meer, wo sie ein Schiff auf die offene See hinausschieben – ein kleiner Teil verläßt die Szenerie.

Mit den Medien Film und Fotografie erforscht Shirin Neshat (* 26. März 1957 in Qazvin, Iran) die auffälligsten Gegensätze zwischen Männern und Frauen in der muslimischen Kultur. Ihre Arbeiten beschäftigen sich dabei immer wieder mit der Randposition von Frauen in der iranischen Gesellschaft, in der das Geschlecht den alles entscheidenden Faktor darstellt. Viele ihrer Arbeiten behandeln die Tabuthemen Sex, sowie die verbotene Anziehung und Kontakte zwischen den Geschlechtern.

Ihr erster abendfüllender Spielfilm:”Women without Men”, 2009, basiert auf dem gleichnamigen, in Iran verbotenen Roman von Shahrnush Parsipur. Der Film spielt im Persien des Jahres 1953, als das durch die CIA unterstützte Militär den demokratisch gewählten Premierminister Mohammed Mossadegh aus dem Amt putschte und dem Schah zur Macht verhalf. Dieser Film hat ein Anliegen: Sie hoffe, so die Regisseurin, dass “Women without Men” einen kleinen Beitrag zu Irans gegenwärtiger Geschichts-schreibung bieten werde. Die Großprojekte, an denen der Film seinen bescheidenen Anteil leisten will, sind die Befreiung der Frauen und des iranischen Volks. Für diesen Film erhielt Neshat 2009 eine Einladung zum Wettbewerb der 66. Filmfestspiele von Venedig und wurde mit dem Regiepreis geehrt.

Shirin Neshat lebt und arbeitet heute in New York City.

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Frauen in der Kunst – Portraits aus 500 Jahren

Frauenportraits aus 500 Jahren westlicher Kunst.

Von der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts: “Archangel”, (Engel mit den goldenen Locken) bis hin zum Jahre 1946 zu: “Portrait of Françoise” von Pablo Picasso. Musik: Bach’s Sarabande aus der Suite für Solo Cello No. 1 in G Major, BWV 1007 performed by Yo-Yo Ma. Video created by Philip Scott Johnson using Abrosoft Fantamorph.

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Ghost

Ghost by Marco Brambilla from ARTJAIL on Vimeo.

“Ghost” von Marco Brambilla, der bereits mit seinem Video zu Kanye Wests Single “Power” für großes Aufsehen sorgte.

“Ghost is a study of model Natasha Poly. An investigation into the obsessive behavior of the public eye and it’s lingering effects on those chased and caught by it. The piece utilizes multiple shots, all presented head-on, giving the audience an opportunity to experience the deconstruction of an icon as it strips the beauty out of fashion.” (Marco Brambilla)

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Hector Zamora:“Stuck Inflatable Zeppelin”, 2009

Héctor Zamora, mexikanischer Künstler mit Ambitionen in Skulptur und Architektur, zeigt Installationen im öffentlichen Raum, so wie hier seine Videoanimation zur letzten Biennale in Venedig: “Stuck Inflatable Zeppelin”, 2009, Teil einer Serie von Mixed Media Installationen, genannt: “Sciame di Dirigibili ” (Schwarm von Luftschiffen). Zamora quetschte auch einen riesigen Zeppelin zwischen zwei Häuserwände auf dem Ausstellungsgelände Arsenale, um so an das “Airballon Festival” in Venedig um 1900 zu erinnern. Hector Zamora, * 1974 Mexiko-Stadt, Mexiko. Lebt in São Paulo, Brasilien. In Europa waren Werke von ihm nur auf der Biennale in Liverpool, (18. September – 28. November 2010) zu bewundern.

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