Gustav Klimt –Liegender Halbakt mit hochgezogenem Bein, 1912

Der Akt in der Kunst

Hört man das Wort Akt, erscheinen in unserem Gehirn erotische Bilder, in unserer Psyche angenehme Schwingungen. Hatte der Schöpfer ähnliche Gefühle etwa vor 25.000 v. Chr., als er aus Kalkstein die nur 11 cm große Venus von Willendorf herausarbeitete? Dieses Fruchtbarkeitssymbol hat schwere Brüste, runden Bauch, ein überproportioniertes Gesäß und dicke Schenkel. Sogar ihre Schamlippen sind detailliert dargestellt. War er der erste Künstler in der Geschichte, der eine Aktdarstellung schaffte? Wurde er für seine künstlerische Arbeit von seinen steinzeitlichen Zeitgenossen bewundert oder musste er sich dafür schämen? Der Akt erfreute sich nicht zu jeder Zeit und vor allem auch nicht an jedem Ort großer Popularität. In der Geschichte der Kunst ist der Akt eines der ältesten und vielfältigsten Genre. Erst die Griechen (von 1200 v. Chr. bzw. 800 v. Chr. bis ca. 600 n. Chr.) erhoben den Akt zum selbständigen Kunstgegenstand. Vom Mittelalter bis ins 15. Jh. hinein war der Akt in unserem Abendland sogar eher verpönt. Ein nackter Körper bedeutete „Sünde, Schande, Elend, Unreinheit, Not oder Armut“. Im Mittelalter (6. bis 15. Jh.) wurden Aktdarstellungen lediglich für religiöse Motive zugelassen und auch nur dann, wenn die Darstellungen die Nacktheit erforderte: z.B. Adam und Eva, der tote Christus. Ein weiteres und hervorragendes Beispiel ist „die Erschaffung des Adams“ von Michelangelo Buonarotti (1474-1564) in der Sixtinischen Kapelle. Während dieser Zeit und danach wurden ursprüngliche Arbeiten häufig retuschiert, um die detaillierte Sicht des nackten Körpers zu verdecken. Dieses Vorgehen konnte bei den letzten Restaurierungen an den erwähnten Fresken gut nachvollzogen werden. Leonardo da Vinci (1452-1519) und Albrecht Dürer (1471-1528) erhoben Aktteilstudien (z.B. Hände) zu eigenständigen Kunstwerken. In Spanien und England verhinderte die „gegenreformatorische Geisteshaltung und puritanische Ausrichtung“ lange Zeit die Ausbreitung der Aktmalerei. Nur sehr wenige Maler, unter anderem Velasquez (1599-1660) und Francisco de Goya (1746-1828), widmeten sich dieser Kunst.

Mit der Renaissance und dem Humanismus (1400-1600) änderte sich die Einstellung der Menschen angesichts der Aktmalerei. Diese Zeit gilt als der eigentliche Beginn der europäischen Aktzeichnung. Die Aktzeichnung, die bis zu dieser Zeit nur als Mittel zur Vorbereitung gesehen wurde, wurde nun als ein fertiges, selbstständiges Kunstwerk betrachtet und gewann als Skizze, Entwurf, Studie oder auch als Kompositionszeichnung künstlerische Bedeutung. Die künstlerische Erforschung von Perspektiven und Proportionen des menschlichen Körpers geht auf Leonardo da Vinci (1452-1519) zurück. Die erste Accademia wurde erst 1563 in Florenz gegründet. Danach folgten Rom 1577, Bologna 1583 und Paris 1648. Bis Ende des 17. Jahrhunderts dienten als Modelle immer noch ausschließlich Männer. Sogar an der Pariser Akademie gab es bis 1759 keine weiblichen Modelle. Ausnahmen gab es nur in Form von angezogenen Frauen. Es lag vermutlich u.a. daran, dass im Klassizismus (von der Mitte des 18. bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts) die Antike mit ihren griechischen Skulpturen sehr bewundert waren, welche vorwiegend Männer darstellten.

Der Begriff Akt leitet sich von dem lateinischen agare = handeln und actus = Handlung ab. Er bezeichnete im ursprünglichen Sinne in der akademischen Malerei im 19. Jahrhundert die Positur des Modells von einer Bewegung in die nächste. Um die Körperlichkeit des Menschen hervorzuheben, wurden die Modelle dabei nackt gezeichnet und gemalt. Während des gesamten Malvorgangs musste das “arme” Modell sehr lange und still in der verlangten Position verharren, wobei häufig Stangen und Hängekonstruktionen zur Fixierung des Körpers benutzt wurden. Später entwickelte sich ein Croquis-Stil (Abriss), wobei das Modell die Positur nur eine halbe Stunde halten musste.

Erst bei Auguste Rodin (1840-1917) durfte das Modell die Stellung selber wählen, also das Modell wurde Mitgestalter der Kunst. Nachfolgend wurde der Begriff Akt auf jede Form der künstlerischen Darstellung eines unbekleideten Körpers übertragen. Einige weltberühmte Künstler der Kunstgeschichte auf diesem Gebiet dürfen nicht unerwähnt bleiben. Als Maler: Michelangelo Buonarotti, Albrecht Dürer, Francisco de Goya, Pierre-Auguste Renoir, Pablo Picasso, Henri Matisse, Egon Schiele und Gustav Klimt. Als Bildhauer: Aguste Rodin. Als Fotograph: der deutsche Helmut Newton.

Der Akt in der Gegenwartskunst

Das Aktzeichnen und das Aktmalen sind seit Leonardo da Vinci und Michelangelo das wichtigste Training eines werdenden Künstlers für die Perspektiv- und Proportionslehre. Der Akt ist eine selbständige Kunstart. Dennoch wird sie in den Kunsthochschulen von Zeit zu Zeit vernachlässigt, als nicht Wichtiges betrachtet. Die abstrakte Kunst ist nicht glaubhaft wenn der Kunstschaffende im akademischen Sinne nicht zeichnen und malen kann. Die Abbildung des menschlichen Körpers ermöglicht dem Kunstschaffenden die innere Welt des Individuums auszudrücken: Emotionen, Gefühle, Träume, Ängste und Hoffnungen. Deshalb bleibt die Auseinandersetzung mit dem Akt eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Der Akt verliert bis heute und in Zukunft nie an Brisanz und Aktualität und übt sowohl auf die Künstler als auch auf die Bildbetrachter eine große Anziehungskraft aus. Immer wieder gelingt es Kunstschaffenden den menschlichen Körper in einer neuen Sichtweise darzustellen und zwar zur Freude der Kunstliebhaber.

Quellen / Literatur: Dr. László Kova, 2010,Le nu féminin : Cours de dessin : le corps humainde Giovanni Civardi et Frédéric Delacourt (24 août 2012),Le corps humain : Nu et anatomie, Le dessin de modèle vivant étape par étapede John Raynes, Sampson Lloyd et Dominique Saran (18 février 2010).

Weiter hier !